Fünf von zehn der Top-Artists 2023 des Streaminganbieters Spotify waren in Deutschland Deutschrapper. Apache 207, Luciano, Bonez BC, RAF Camora und Sido. Eine Quote, die noch vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen wäre und seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr anders zu denken ist. Der deutsche Rap hat innerhalb kürzester Zeit seinen Weg aus dem Untergrund an die Spitze der Musikbranche geschafft. Wie? Wir geben dir einen kurzen Abriss über die Entwicklung des Deutschrap!

1990er: der Anfang

Die Geburtsstunde des Rap in den USA findet sich um 1970. Mit den 80ern und 90ern schwappte der Trend auch langsam nach Deutschland über. Hip Hop bewegte sich im Untergrund – Rapperinnen und Rapper trafen sich bei selbstorganisierten Partys und Sessions, ohne jedoch die breite Masse anzusprechen. Alles folgte dem amerikanischen Vorbild, auch die Texte. Rappen auf Deutsch war kein Thema. Zumindest bis ein Mitglied der Gruppe Advanced Chemistry anfing, sich seiner Muttersprache zu bedienen. Damit fiel der Startschuss. Die ersten kommerziellen Erfolge gehen auf die Fantastischen Vier zurück. Mit ihrem Track „Die Da?!“, gelang es den Stuttgarter Jungs erstmals, deutschen Hip Hop zu etablieren. Das Resultat waren hitzige Diskussionen im Untergrund. Nicht allen gefiel die Mainstream-Entwicklung. Die Auseinandersetzungen führten zu einer Spaltung in neue und alte Schule. Die neue Schule, dazu zählte unter anderem Fettes Brot, rappte über belanglose Dinge und folgte der Devise, dass die Musik Spaß machen soll. Wohingegen die alte Schule sich politischen Themen widmete. 

Mitte der 90er: die Battles

Mit der sich anbahnenden Jahrtausendwende kam die Streuung des Hip Hop in Deutschland. Hamburg, Berlin, München, Düsseldorf, Stuttgart, Köln, Heidelberg und das Ruhrgebiet entwickelten sich zu Hip Hop Zentren. Neben der vorherrschenden Diskrepanz zwischen alter und neuer Schule spalteten sich auch weitere Substile ab. Battlerap wurde, besonders im Untergrund, groß. Bei dieser Form stehen sich Artists und Crews Face-to-Face gegenüber und versuchen mit spöttischen Lines (Dissen) den Gegner zu übertrumpfen. Daraus entwickelten sich dann auch Disstracks, so, dass die Battles nicht mehr nur vor Ort, sondern auch auf Aufnahmen weiter ausgetragen wurden. Zu den wohl bekanntesten Ausgeburten des Battlerap gehört Kool Savas, der den beiden Berliner Formationen Westberlin Maskulin und M.O.R. angehörte. Kool Savas verkörperte den Stil der Berliner Szene und verstand sich selbst lange als Gegenpol zur Hamburger Szene, zu der Fettes Brot und Deichkind zählten. 

2000er: Gangsta-Rap

2001 gründete sich eins der wohl relevantesten Labels in der Geschichte des Deutschrap: Aggro Berlin. Das Label machte vor allem mit einem neueren Stil auf sich aufmerksam. Gangsta-Rap war zuvor relativ rar gesät in Deutschland, bekam aber auch durch die Battlerap-Szene immer mehr Interesse. Der Stil ist geprägt von derben und aggressiven Texten und rückt damit noch weiter zum Gegenpol des Hamburger Stiles. Unter dem Label erschien 2003 „Vom Bordstein bis zur Skyline“ des Rappers Bushido. Es markiert einen Umbruchpunkt und zählt mittlerweile zu den erfolgreichsten Alben des Gangsta-Rap. Neben Bushido gehörten unter anderem Sido und Fler dem Label Aggro Berlin an. In den folgenden Jahren nehmen Beefs und Disstracks in der Szene zu. Immer mehr Rapper streiten sich in der Öffentlichkeit. Unter anderem auch Sido und Bushido, nach ihrer gemeinsamen Zeit bei Aggro Berlin. 

2010er: das Zeitalter des Internet

Die 10er-Jahre sind in vieler Hinsicht revolutionär: Mit der breiten Vernetzung durch das Internet kommen neue musikalische Einflüsse aus den USA nach Deutschland. Synthesizer und Auto-Tune verändern den Sound des Rap und prägen die Soundlandschaft, indem sie auf außergewöhnliche und atmosphärische Klänge setzen. Darunter verstanden wird Cloud Rap, unter dem Rapper wie Yung Hurn, Trettmann und RIN zu verorten sind. Und auch Trap findet sich vermehrt in der Musikbranche wieder. Mit Fokus auf 808s, Subbässen und Hi-Hats wird der Schwerpunkt bei Trap auf die Produktion gelegt und Rap eigentlich eher zu einem Gesangselement des Trap. Neben dem altbekannten Battle-Rap, finden in dieser Zeit vermehrt online Battle statt. Aus Formaten wie dem Videobattleturnier (VBT) oder „Rap am Mittwoch“ auf YouTube, gehen bekannte Rapper hervor. Dazu zählen EstA, Capital Bra oder auch Karate Andi. In den 10er-Jahren erlangten zudem Artists mit Migrationshintergrund einen starken Einfluss auf die Deutschrap-Szene. Themen wie Chancenlosigkeit, Drogenkonsum, Rassismus und Kriminalität ziehen in die Musik ein und werden von beispielsweise arabischem oder türkischem Slang begleitet, der ab diesem Zeitpunkt unwiderruflich in den Deutschrap einzieht. Besonders ausschlaggebend für diesen Zweig der Rap Szene ist Rapper Haftbefehl oder auch das Rapperinnen Duo SXTN. 

Seit 2015: an der Spitze

Die nächsten Jahre sollen den finalen Durchbruch für den deutschen Rap bedeuten. 2016 releasen RAF Camora und Bonez MC ihr gemeinsames Album „Palmen aus Plastik“ und setzen sich mit den Dancehall-Sounds an die Spitze der Charts. Ein Jahr später bringt Bausa mit seinem Track „Was du Liebe nennst“ den Deutschrap endgültig aus dem Untergrund raus. Die Streamingzahlen explodieren in den nächsten Jahren. Capital Bra, RAF Camora, Apache 207 und Bonez MC dominieren die Liste der meistgestreamten Künstlerinnen und Künstler auf Spotify in Deutschland. 2018 kam es zu Kontroversen, als Farid Bang und Kollegah ein Echo für ihr viel umstrittenes Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ erhalten sollten. Die medialen Aufstände führten letztendlich zur Abschaffung des Echos, der Deutschrap hingegen wird weiterhin hochgepriesen.

Was gerade so passiert: ein Wandel

Deutscher Rap war und ist ein Spannungsfeld. Drogen, Kriminalität und auch mal ein Besuch hinter schwedischen Gardinen werden gut und gerne behandelt. So droppte GZUZ 2023 beispielsweise den Song „Tanzen (mit Handschellen)“ direkt aus der JVA und Haftbefehl betitelt seinen Song „Geruch von Koks (ft. Paula Hartmann)“. Doch das Feature des letzteren zeigt, dass sich im Deutschrap in jüngster Zeit noch mal ein Wandel vollzieht. Die deutsche Indie-Szene kreuzt sich zunehmend mit der des Rap. Paula Hartmann mit Haftbefehl, Nizi19 oder Symba. Schmyt auch mit Haftbefehl und Bausa. Letzterer demnächst auch mit Newcomer Zartmann. Und nicht nur das, auch die Frauenquote nimmt im Deutschrap in den letzten Jahren endlich zu. Loredana, Shirin David, Nura, Badmómzjay und Aisha Vibes sind nur einige Namen, die frischen Wind in die Branche bringen. Und mit ihnen eine Bewegung, etwas weg von den zum Teil diskriminierenden, frauenverachtenden Texten. Im Gegenzug räumen die Rapperinnen mit gendernormativen Klischees auf und machen deutlich: Wenn dir jemand was verbieten will, dann „Shake Booty, Babygirl, denn du darfst das“!

Falls du nach diesem geschichtlichen Abriss immer noch nicht genug hast, findest du hier unsere New Wave Deutschrap Empfehlungen. Außerdem kannst du dich bei ADticket durch die Hip-Hop- und Rap-Angebote klicken. Folge uns gerne auf Instagram und Facebook, um nichts zu verpassen.