York Hovest stand uns Rede und Antwort zu seiner Begegnung mit dem Dalai Lama und dem entstandenen Bildband „Hundert Tage Tibet“. Wie York erzählt, muss die Reaktion des Dalai Lamas überwältigend gewesen sein, als er den Bildband das erste Mal in den Händen hielt. In seinen Vorträgen führt Hovest die Menschen näher an das Land Tibet und sein geistliches Oberhaupt heran.

Wie hat alles begonnen? Wie kam es überhaupt zu dem Treffen mit dem Dalai Lama?

York Hovest: Als ich im Sommer 2011 zum ersten Mal das Buch Sieben Jahre in Tibet von Heinrich Harrer gelesen habe, hat mich das sehr begeistert – nicht nur die Reiseerlebnisse von Heinrich Harrer selbst, sondern viel mehr der Dalai Lama, über den ich damals noch nicht so viel wusste. Ich kannte die ganze Tragödie nicht, wie er geflohen ist und unter welchen Umständen. Das hat mich sehr inspiriert und ich habe mich gefragt, wie er heute lebt und was er überhaupt noch ausrichten kann für sein verbliebenes Volk in Tibet. Das war die Initialzündung für mich, zu entscheiden, dass es eine Möglichkeit geben müsste, ihn vielleicht einmal selber kennenzulernen und zu porträtieren. Ich habe einfach meine Dienste als Fotograf dem Verein, der sich um die Besuche des Dalai Lamas in Deutschland kümmert, angeboten. Das hat geklappt und dann hatte ich schon meine Einladung nach Wiesbaden und 2011 die Gelegenheit, den Dalai Lama drei Tage persönlich kennenzulernen.

Ich habe dann die Chance genutzt und meine Frau und mein Kind mitgenommen, in der Hoffnung, dass sie diesen wunderbaren Mensch kennenlernen können. Im Hotel ist das erste – ich möchte mal vorsichtig behaupten – große Familienwunder passiert: Der Dalai Lama hat meinen kleinen anderthalb Jahre alten Sohn getroffen und sie haben sich beide super verstanden. Der Dalai Lama hat dann kurzerhand die ganzen wichtigen Politiker links liegen lassen, um mit meinem kleinen Sohn zu spielen. Das war dann auch der Moment, in dem meine Frau fast in Ohnmacht gefallen ist, während ich noch schnell ein Foto davon gemacht habe, das ich heute auch gerne noch auf Vorträgen zeige.

„Tibet ist nach wie vor so ein mystisches Land in unseren Köpfen und wir wissen nicht viel.“

Und da hast du ihm auch das Versprechen gegeben, Tibet zu porträtieren?

York Hovest: Das kam noch ein bisschen später. Ich hatte die Gelegenheit, ihn noch öfter zu porträtieren und ihn zu beobachten, auch das ganze Umfeld um ihn herum. Das hat mich insofern stutzig gemacht, weil ich merkte, dass sich viele Menschen in seiner Nähe schmücken und rühmen für das schnelle Foto oder den schnellen Kontakt. Was mich daran sehr gestört hat, ist, dass nie jemand versucht hat, ihn zu fragen, was wir denn für ihn machen können. Also habe ich in einem Brief geschrieben, dass ich sein Auge und sein Ohr in Tibet sein möchte, um herauszufinden, wie dort die Situation ist, wie die Menschen nach seiner Flucht heute noch leben und auch vor allem, wie sie es schaffen, in einer so langen Zeit ohne ihren geistlichen Führer noch an ihn zu glauben. Das war auch grundlegend Teil des Versprechens, ihm zu sagen, das finde ich für dich heraus und dann komme ich wieder, wir machen ein Buch daraus und zeigen es der ganzen Welt.

Bei Facebook gab es auch direkt zwei Reaktionen von Menschen, die dich sehr beneiden. Kennst du das als Reaktion, dass dich Menschen um die Erfahrung beneiden?

York Hovest: Ja, mit Sicherheit. Also, man muss differenzieren zwischen den Leuten, die jetzt wirklich nur das Buch und die schönen Bilder sehen und mich beneiden, dass ich so ein schönes Land besucht habe, auf der anderen Seite ist aber der Aspekt viel größer, die Menschen zu erreichen, die sich mehr Gedanken machen. Denen kann ich durch meine Vorträge vermitteln, wie es hinter den Kulissen aussieht, wie es dort wirklich ist und vor allem, welche Geschichte zu den Bildern gehört. Das ist natürlich im Buch auch nur begrenzt möglich, denn dann müsste das Buch 5.000 Seiten haben, um das alles wiederzugeben.

Und was würdest du dann den Menschen empfehlen, die nach Tibet reisen möchten?

York Hovest: Ich würde als Allererstes versuchen, die Leute davor zu warnen, nicht enttäuscht zu werden, weil ich glaube, das ist das, was als erstes in Tibet passiert. Tibet ist nach wie vor so ein mystisches Land in unseren Köpfen und wir wissen nicht viel. Wir haben so eine Traumgedankenwelt und gehen mit dieser Erwartungshaltung dorthin. Man wird aber sehr schnell mit der nüchternen Realität konfrontiert und sieht wie die Volksrepublik China dort mit seinen acht Millionen Menschen das Land überflutet und die traditionellen Gebäude und heiligen Plätze in eine Betonwüste verwandelt. Das ist sehr, sehr schlimm zu sehen. Man vermisst in Tibet tatsächlich die Kultur und irgendwie auch den Tibeter, der irgendwie nicht das macht, was er eigentlich hätte tun sollen; einfach an seine Religion beziehungsweise an sein geistliches Oberhaupt zu glauben. Man darf das aber nicht in Tibet. Man sucht vergebens nach diesen Momenten.

Was hast du für dich mit in den Alltag genommen von deinen hundert Tagen in Tibet?

York Hovest: Ich möchten nicht sagen, dass mich die Reise verändert hat, vielmehr die Begegnung und die Beziehung zum Dalai Lama. Ich bin heute ein viel gelassenerer und ausgeglichenerer Mensch. Er hat versucht, mir zu vermitteln, dass das Universum sowieso alles selber steuert und dass man mit diesen Ereignissen eigentlich ganz cool umgehen kann und es nichts bringt, wenn man sich ärgert oder aufregt.

Wie war die Reaktion des Dalai Lamas auf deinen Bildband?

York Hovest: Die war unerwartet großartig! Wir hatten eine Privataudienz beim Dalai Lama und die ist für gewöhnlich sehr kurz und sehr, naja, ich möchte jetzt nicht sagen angespannt, aber man ist natürlich nervös. Verwunderlich war, dass er sich dann zwei Stunden Zeit genommen hat und wir wirklich jede Seite des Buches besprochen haben. Er hat sich unendlich bedankt. Das Gespräch war sehr emotionsgeladen, weil es auch viele traurige Passagen gab. Am Ende war es ein Gespräch mit Freude und Tränen. Wir haben das ganze Land unter die Lupe genommen und er konnte seine damalige Heimat reflektieren und sich erinnern, was sehr schön für mich war.